Am Samstag, 27. April 2024 stehe ich bei 7°C und Sonnenschein am Start der 43. Harzquerung. Angeboten werden die Strecken 26 km, 30 km und 53 km je für Läufer und Wanderer. Ich bin für die 53 km gemeldet, die mit über 1.000 Höhenmetern von Wernigerode nach Nordhausen führen. Da die 26 km-Läufer zusammen mit uns starten und ich zum Sightseeing hier bin, stelle ich mich nicht allzu weit nach vorne. Der Start befindet sich mitten im Wald, wohl um den Asphaltanteil auf ein Minimum zu begrenzen.
Um 8:30 Uhr erfolgt der Startschuss. Es geht sofort über 200 Höhenmeter hinauf. Dank des Trainingslagers im Sauerland bin ich gut auf die Berge vorbereitet und überhole fleißig – auch etliche 26 km-Läufer. Der lange und teils steile Anstieg geht dennoch ganz schön in die Waden. Oben überqueren wir eine Staumauer und laufen ein Stück die Zillierbachtalsperre entlang, bevor der nächste Aufschwung kommt. Da die Bäume flächendeckend gerodet wurden, hat man eine wunderbare Sicht über den Harz und auf den Brocken. Erfreulicherweise folgen nun lange Zeit keine nennenswerten Anstiege mehr. Auf den kahlen Höhen ist es im Wind etwas frisch, aber es wird zunehmend wärmer. Inzwischen überhole ich kaum noch Läufer und im Sichtfeld vor mir bleiben die selben Gestalten in unverändertem Abstand vor mir. Die Wege sind breit und gut laufbar, nur ab und an geht es über einen richtigen Trail oder eine Wiese. Hin und wieder führt die Route auch an einem idyllischen Bach entlang, so dass es immer abwechslungsreich bleibt.
Da die ersten vier Verpflegungspunkte je etwa 10 km voneinander entfernt sind, habe ich meinen Laufrucksack mit dabei und versorge mich zwischendurch mit einem Gemisch aus Wasser, Maltodextrin und Salz. An den offiziellen Verpflegungspunkten stürze ich immer zwei Becher Iso hinunter und schnappe mir ein Bananenstück. Später kippe ich mir jeweils auch noch Wasser über den Kopf.
Die 26 km-Läufer biegen ab und die 30 km-Läufer stoßen zu uns, von denen ich allerdings keine zu Gesicht bekomme. Wem die 53 km-Strecke zu lang ist, der kann die Harzquerung so super mit zwei Teilnahmen komplett erleben.
Die Strecke ist bestens markiert: An jeder Abzweigung gibt es ein Schild, dazu Pfeile auf dem Boden und Flatterbandfähnchen in den Bäumen. Da ich inzwischen auch die Wanderer überhole, die bereits um 4:30 Uhr gestartet sind, habe ich immer jemanden im Sichtfeld. So kann man sich gar nicht verlaufen – denke ich, bis mir zwei Läufer, denen ich blind gefolgt war, entgegen kommen. Ich drehe um und schicke gleich zwei weitere Läufer zurück, die mir gefolgt sind. Immerhin hält sich der Umweg mit gut 300 m noch in Grenzen.
Kurz darauf geht es ein mit Seilen versichertes Stück steil hinab. Ich steige bedächtig hinunter, um unten wieder Tempo aufzunehmen. Gleich darauf wird die Harzer Schmalspurbahn gekreuzt und Wald dominiert die nächsten Kilometer. Nach einem weiteren Aufschwung folgt dann einer der längsten Abstiege der Route von über 200 Höhenmetern. Zu den seit Rennbeginn strapazierten Waden geht es jetzt auch noch in die Oberschenkel. Kaum unten angekommen steht der längste Anstieg der Strecke an: 300 Höhenmeter bergauf. Die Steigung ist steil genug, um sie ruhigen Gewissens hochzugehen, aber flach genug, um trabend doch schneller zu sein. So ignoriere ich die protestierenden Waden und trotte unentwegt hinauf. Das zahlt sich aus, denn ich überhole nun seit langem wieder einige Läufer, die den nicht enden wollenden Anstieg hinauf gehen.
Oben gibt es eine Verpflegungsstation und dann geht es einige Kilometer nur bergab. Ich will die im Aufstieg gewonnenen Plätze nicht mehr hergeben und halte das Tempo angemessen hoch. Die Streckenmarkierung wird merklich schlechter und ist im Wesentlichen auf Kreidepfeile reduziert worden. In Neustadt geht es zum ersten und einzigen Mal ein längeres Stück durch einen Ort, dann weiter durch Wiesenlandschaften. Jetzt stehen noch drei kleinere, aber merkliche Erhebungen an und ich kann weitere Läufer einsammeln.
Nach dem letzten Verpflegungspunkt komme ich an eine unmarkierte Abzweigung, sehe aber einen Läufer vor mir und folge ihm. Hinter den Bäumen rufen zwei weitere Läufer, ob ich dort eine Markierung hätte. Wir stoßen alle zusammen und laufen zu viert weiter, bis wir uns auf einer Wiese sicher sind, uns verlaufen zu haben. Zum Glück hat einer sein Smartphone dabei, muss aber erst die Strecke herunterladen. Während wir warten trudeln nach und nach noch drei weitere Läufer ein. Zurücklaufen will keiner, also navigiert uns der Smartphone-Besitzer über die Wiese und ein paar Wege zurück auf den Kurs. Die ursprüngliche Reihenfolge unserer Truppe ist rasch durch die unterschiedlichen Tempi wieder hergestellt und ich verliere die anderen aus den Augen.
In einem kleinen Wäldchen geht es über eine Brücke und völlig unerwartet sehe ich das Ziel vor mir. Der Smartphone-Navigator ist auf halbem Wege in Sicht und ich spurte los, um ihn vielleicht noch einzuholen. Er bemerkt mich aber und zieht ebenfalls an, so dass ich ihn nicht mehr einholen kann.
Der Rennleiter schickt gleich einen Fahrradfahrer los, um das offenbar weggerissene Flatterband an unserer Verlauf-Stelle zu ersetzen. Dann kommt die erste Frau ins Ziel. Ich kann also nicht ganz so schlecht abgeschnitten haben. Nach dem Duschen hängt auch schon die Ergebnisliste aus: Platz 17 (von letztendlich 473 Finishern), in der Altersklasse sogar Platz 2 (von 58 Finishern) – besser als ich erwartet hatte. Die Zeit von 4:52 h ist da völlig egal. LR